January 11, 2022

2022: Die 5 Top-Trends in Transport & Logistik

Um Trends und neue Geschäftsideen frühzeitig zu erkennen, haben wir den Transport- und Logistikmarkt (T&L) und die Entwicklung neuer Technologien kontinuierlich im Blick. Anlässlich des Jahreswechsels haben wir uns gefragt, welche Trends und Entwicklungen die Transport- und Logistikbranche 2022 antreiben werden. Der nachfolgende Artikel ist eine Zusammenfassung zu Marktprognosen und digitalen Trends, die 2022 aus unserer Sicht für T&L eine maßgebliche Rolle spielen werden.

Marktausblick 2022

Für das Jahr 2022 prognostiziert die Welthandelsorganisation WTO einen Anstieg des weltweiten Warenhandels um 10,8% gegenüber 2021. Dabei steht der internationale Handel dieses Jahr einmal mehr vor Herausforderungen, die das erwartete Wachstum bremsen könnten: Sei es die neue Virus-Variante Omikron, die aktuelle Überlastung der Häfen oder der Lieferengpass für Halbleiter.


Für Deutschland erwarten die Logistik-Weisen in ihrer Oktoberprognose für den Wirtschaftsbereich Logistik ein Wachstum von etwa 6% nominal beziehungsweise etwa 3% real. Allerdings dürfte die letzte ifo-Prognose von Dezember diese Erwartungen noch einmal etwas dämpfen – sie stellt für 2022 eine Corona-bedingte Absenkung des BIP um 1,4% in Aussicht. Als Wachstumsfaktoren für die Wirtschaft gelten indes die Erholung des privaten Konsums und der Investitionen sowie eine Reduktion von Engpässen in der Beschaffung. 


Für die Logistik werden für 2022 deutliche Kostensteigerungen erwartet. Das liegt vor allem an höheren Kraftstoffkosten (CO2-Abgabe), höheren Anschaffungskosten für Assets, höheren Lohnkosten (Fachkräftemangel, Hygienemaßnahmen) und der zuletzt höheren Inflationsrate. Transportunternehmen sehen sich daher gezwungen, ihre Frachtraten in den Vertragsvereinbarungen mit Verladern entsprechend anzupassen und alle Optionen für mehr Effizienz und Kostenersparnis zu nutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Vor diesem Hintergrund dürfte sich der Einsatz digitaler Lösungen im Jahr 2022 weiter beschleunigen.


T&L-Trends 2022


Nachdem viele Logistikunternehmen sich seit Beginn der Corona-Krise auf die eigene Infrastruktur und die Sicherstellung des operativen Geschäftsbetrieb konzentriert haben, liegt der Fokus inzwischen wieder vermehrt bei der digitalen Transformation. Auch wenn der weitere Verlauf der Pandemie momentan schwer vorhersehbar ist, zeichnen sich für das Jahr 2022 folgende maßgebliche T&L-Trends ab:

 

1 – KI und autonome Transportfahrzeuge gewinnen an Dynamik

Es ist empirisch bewiesen, dass KI-Systeme bessere Ergebnisse und Vorhersagen liefern als der Mensch. Um Entwicklungen präziser vorherzusagen, ist eine Vielzahl an Parametern und Daten notwendig – interne und vor allem externe. Das Zusammenführen dieser Daten ist derart komplex, dass es nur mithilfe von Algorithmen möglich ist. Lernfähige KI-Systeme können je nach Anwendungsfall und Umfang der Datenbasis um 10% bis 30% präzisere Ergebnisse liefern als eine manuelle Analyse – und das bei Konfidenzraten von über 90%. In vielen Bereichen der Logistik wird sich daher der Einsatz KI-basierter Technologien weiter durchsetzen. 

 

Beispiele

 

In der Disposition lässt sich durch KI eine höhere Fahrzeugauslastung erreichen – etwa durch eine automatisierte Frachtraumbestückung oder durch das Bündeln von Sendungen verschiedener Verlader für definierte Routen. Im Ergebnis bedeutet das weniger Leerfahrten sowie geringere Spritkosten und CO2-Emissionen. In diesem Themenfeld positionieren sich Start-up-Lösungen wie etwa Mixmove oder Good-Loading.


Digitale Plattformen wie sennder oder InstaFreight differenzieren sich durch KI von klassischen Spediteuren, indem Frachtangebote in Echtzeit bewertet und automatisiert in das eigene Carrier-Netzwerk überführt werden können. 

 

Mit Lösungen wie Checktur.io können zukünftig Schäden an einem Trailer oder Lkw per Zustands- und Bilderkennung automatisiert erkannt werden. Dazu vereinfacht die unmittelbare digitale Erfassung und Verarbeitung von Schadensreports alle Nachfolgeprozesse. 


In der Outbound-Logistik werden über die implementierte KI bei autonomen Transportfahrzeugen im Laufe des Jahres weitere Fortschritte zu beobachten sein. So hat das schwedische Start-up einride mit seinem elektrischen T-POD bereits den Marktangang gestartet. Im Unterschied dazu setzt Fernride in der Pilotierung auf eine durch Kamera und Sensorik bestückte autonome Intelligenz, bei der im Bedarfsfall ein Teleoperator die Steuerung remote übernehmen kann. 

 

Noch im Dezember hat das Unternehmen Aurora für seine selbstfahrenden Lkws ein kommerzielles Pilotprojekt mit Uber Freight in den USA angekündigt. Das Segment der autonomen Trucks stößt auch bei Investoren auf großes Interesse. So sind laut Pitchbook von Januar bis Mai 2021 bereits 5,6 Milliarden US-Dollar an Funding-Geldern geflossen.

 

2 – Carbon Footprint: Ein Differenzierungsfaktor für die Zukunft 

 

Nachhaltigkeit mit dem finalen Ziel der CO2-Neutralität gewinnt für alle Transportarten weiter an Bedeutung. Für den Carbon Footprint sehen wir 2022 drei Schwerpunkte:

 

  • Transparenz über die eigenen CO2-Emissionen durch CO2-Kalkulatoren, vorzugsweise auf Basis von realen, messbaren Daten
  • Reduktion oder Vermeidung von CO2 durch Nutzung alternativer Antriebe wie z. B. Elektro oder LNG
  • Offsetting durch Kompensation via CO2-Zertifikat

 

In der Praxis kommen diese Vorgehensweisen kombiniert zum Einsatz. Der aktuelle Hype um Nachhaltigkeit, aber insbesondere der zu erwartende Kostendruck über den steigenden CO2-Preis von derzeit 25€/t auf bis zu 60€/t und mehr wird Aktionen beschleunigen. Verlader forcieren bereits den Aufbau eines eigenen CO2-Monitoring und werden sukzessive auch CO2-Nachweise von Transportdienstleistern verlangen. So hat unter anderen die europaweit tätige MEWA Textil Service angekündigt, im Jahr 2022 CO2-Bilanzen von ihren Spediteuren einzufordern. Parallel wollen Hersteller vor dem Hintergrund ihrer Emissionsziele den LKW-Transport auf emissionsarme Verkehrsarten (z. B. Bahn) verteilen.


3 – Plattform-Ökonomie fordert vernetzte Kollaboration & Data Sharing

Der Trend zur vernetzten Kollaboration setzt sich auch 2022 weiter fort. Er ist durch die Corona-Pandemie und das Verlangen nach mehr Resilienz der Lieferketten in den Vordergrund gerückt. Vernetzte Kollaboration ermöglicht eine durchgängige Transparenz des Transports über Echtzeitdaten zu Geo-Lokation oder Frachtzustand (z. B. Temperatur). Visibilitäts-Plattformen wie project44 realisieren diesen Ansatz via Schnittstellen zu den Telematik- und/oder TMS-Systemen der beteiligten Akteure in der Lieferkette. 

92% der im Zuge einer Forbes-Studie befragten Führungskräfte halten Transparenz in der Lieferkette für „entscheidend“. Im Gegensatz dazu haben aktuell aber nur 27% der Unternehmen entsprechende Maßnahmen umgesetzt (Columbia Business School – Forbes, Eugene Lang Entrepreneurship, The Future of Supply Chain Tech: Drivers, Trends and Opportunities, 2021). 

Da Verlader oder Logistiker sich nicht mit jedem Transportunternehmen eigens vernetzen wollen, sind Plattformen eine bevorzugte Alternative, um über den Netzwerkeffekt Lieferketten auf einer Systemebene transparent zu halten. Zudem ergab eine Umfrage des BDI (BDI, Deutsche digitale B2B Plattformen, 2021) bei deutschen Unternehmen, dass die Nutzung von Plattformen Wettbewerbsvorteile bringt. 68% der Unternehmen gaben an, dass Plattformen die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens sichern. 

Trotz bereits etablierter Plattform-Angebote wie zum Beispiel Transporeon (Transporte) oder Schüttflix (Schüttgüter) liegen B2B-Plattformen weiter im Trend. Investoren und Risikokapitalgeber investieren aktuell stark in B2B-Plattformen – mit dem Ziel einer effizienteren und nachhaltigeren Transportlogistik. 


4 – Mehr Durchsatz und Sicherheit durch Automatisierung im Warehouse und an der Rampe


Auch im Warehousing und an der Rampe wird der Einsatz automatisierter Lösungen weiter zunehmen. Steigende Frachtaufkommen bei gleichzeitigem Mangel an Arbeitskräften und höheren Sicherheits- und Hygieneanforderungen lassen sich nur durch mehr Produktivität in Lager und Kommissionierung bewältigen. Digitale Helfer vereinfachen durch pick-by-scan (z. B. NIMMSTA, Proglove) oder pick-by-vision (z. B. Picavi) den Arbeitsprozesses und reduzieren die Fehlerquote. Zugleich erfolgt über eine Verknüpfung mit dem ERP-System die automatisierte Datenverarbeitung. 


Ebenso werden in großen Hubs zunehmend Roboterfahrzeuge eingesetzt, um einseitige Dauerbelastungen oder Verletzungen der Mitarbeiter beim Ein-/Auslagern oder bei der Be-/Entladung zu vermeiden. Für den globalen Warehouse-Robotics-Markt wird bis 2027 eine jährliche Wachstumsrate von durchschnittlich 13% prognostiziert (Brand Essence Market Research, Warehouse Robotics Market Analysis, 2021). 


5 – Boom im Online-Geschäft forciert digitale Logistik-Konzepte


Der E-Commerce-Boom setzt sich 2022 durch die anhaltende Pandemie weiter fort und wird das Kaufverhalten der Verbraucher auch strukturell verändern. So prognostiziert der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) für 2022 in Deutschland 4,5 Milliarden Sendungen (BIEK, 10.11.2021), was einem Zuwachs von etwa 11% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Mitte des Jahres wurde das jährliche Wachstum bei KEP-Sendungen bis 2025 lediglich auf etwa 7% geschätzt (5,68 Milliarden Sendungen in 2025; (BIEK/KEP Studie 2021), was die aktuelle Dynamik in diesem Segment unterstreicht. 


Diese Entwicklung wird die ohnehin knappen Lieferkapazitäten weiter belasten und schafft Nachfrage für neue Lieferkonzepte (z. B. Gorillas) und Technologien wie autonome Lieferroboter/-Drohnen (z. B. Amazon Scout, Starship) auf der letzten Meile. Es ist davon auszugehen, dass Händler die Strategie der kostenlosen Lieferung überdenken und nach alternativen Lieferstrategien suchen werden, die beispielsweise über eine Bündelung von Lieferungen für einzelne Kunden/Regionen einerseits die Lieferkosten minimiert, andererseits verfügbare Lieferkapazitäten maximal ausnutzt. Amazons Whole Foods in den USA erhebt bereits schrittweise Gebühren für die Lieferung um gestiegene Lieferkosten auszugleichen. Zusätzlich sind Last-Mile-as-a-Service-Konzepte zu erwarten, die sich mit ihrem Angebot spezialisieren und vorhandene Lieferkapazitäten mit einer ausgeklügelten Hub-Struktur kombinieren. Angebote wie ANGEL bringt’s oder Shyp sind Beispiele dafür.


Ich freue mich über Fragen und Feedback. Diskutieren Sie gerne mit und lassen Sie uns wissen, welche T&L-Trends aus Ihrer Sicht für 2022 zu erwarten sind oder treten Sie mit uns in Kontakt, um gemeinsam Ideen zu aktuellen Herausforderungen in Sachen T&L zu entwickeln.